Auch als Freund der Österreicher muss man manchmal den Kopf schütteln – beispielsweise über die Begründung, mit der die Industrie-Lobbyisten von der Arge2Rad die rechtliche Grundlage von Streckensperrungen nach dem „Tiroler Modell“ torpedieren wollen. Zur Erinnerung: Hier wird auf einigen Strecken besonders lauten Krädern das Fahren verboten. Weil das Fahrgeräusch im Fahrzeugbrief zur Identifizierung nicht taugt (da steht immer nur 77 dB), wird zur Unterscheidung von Laut und Leise das realistischere Standgeräusch herangezogen. Die Arge2Rad ist der illustre Dachverband der österreichischen Zweiradindustrie und Zweiradimporteure. Und diese Lobbyisten entblöden sich nun nicht so zu tun, als könnten sie keine Fahrzeugbriefe lesen und als hätten sie nicht selbst die Zulassungnormen für ihre Zwecke (laut verkauft sich gut) zurechtgebogen. Jetzt verschicken sie Pressemitteilungen mit ihrer Taka-Tuka-Algebra. Und die Kronenzeitung (BILD für Österreicher) fällt sogar darauf rein.

Ausriss aus der Kronenzeitung – unreflektiert Pressemitteilung abgedruckt.

Vorgehensweise: Die Arge2Rad hat sich ein paar Fahrzeugscheine aus dem Sortiment ihrer Mitglieder zurechtgelegt und die Zahlen und Buchstaben darin interpretiert. Beispiele sind Motorräder von Suzuki und Ducati. Wir zitieren:

„Suzuki: bei gleichem Fahrgeräusch von 77 dB(A) hat die GSX-1100 ein Standgeräusch von 96 dB(A) und der Burgmann 400 von 84 dB(A); also KEIN Unterschied beim Fahrgeräusch, aber ein Unterschied von 12 Dezibel im Standgeräusch!

Was Wunder, könnte man sagen: Die Suzuki GSX trägt den Kosenamen Gixxer nicht zuletzt wegen ihres Geräuschs und ist wirklich erheblich lauter als der Burgman-Roller – das bildet das Standgeräusch exakt ab, nicht aber das Fahrgeräusch mit Abschlatvorrichtung. Aber noch mehr Beispiele:

Ducati: das Fahrgeräusch der Panigale Superleggera und ebenso der Multistrada V4S ist 77 dB(A), das Standgeräusch der Panigale beträgt 108 dB(A) und das der Multistrada 92 dB(A); dh auch in diesem Beispiel gibt es KEINEN Unterschied im Fahrgeräusch, aber 16 dB(A) im Standgeräusch.“

Dazu stellt sich Karin Munk, Generalsekretärin der Arge2Rad, einmal janz dumm: „Diese beiden Beispiele … zeigen … doch ganz eindeutig, dass das Standgeräusch keinen Rückschluss auf das Fahrgeräusch zulässt, das ja letztendlich das Kriterium der Lärmbelastung für Anrainer darstellt.“

„Unerklärliche“ Lärmunterschiede trotz gleichen Fahrgeräuschwerts

Ja komisch, liebe Karin Munk. Jetzt fällt es uns auch auf! Alle Motorräder – ob laut oder leise – sind in ihren Fahrzeugbriefen im Fahrgeräusch alle genau 77 dB laut. Und die Vergleiche beziehen sich wirklich auf sehr extralaute lärmige Motorräder (Ducati Panigale) und echt extraleise moderate Kandidaten wie den 400 ccm Roller Burgman von Suzuki (schreibt man übrigens auch in A mit nur einem N). Woher kommt es aber jetzt, dass einem die Ohren abfallen, wenn eine Ducati Panigale an einem vorbeikracht – mit 77 dB Fahrgeräusch? Und dass der kleine Burgman eben leise vorbeifährt?

Jetzt wollen Sie uns doch nicht erzählen, liebe Karin Munk, dass Sie nicht wissen, warum bei allen 77 dB im Fahrzeugbrief steht? Im „entscheidenden Fahrgeräusch“, mit dem ja die Anwohner an der Strecke ihre Probleme haben? Die Motorradlobby hat doch genau diese Norm gestrickt, nach der jede vermaledeite Kettensäge auf zwei Rädern einen Stempel mit 77 dB kriegt – ob nun Panigale oder Stadtroller, weil die Elektronik den Prüfzyklus erkennt und auf den Mess-Punkt genau auf leise schaltet. Zykluserkennung, ganz wie beim Dieselskandal übrigens – die gleiche Branche, die gleichen Methoden. Nur an den Standgeräuschen, die ja nur ein Referenzwert sind und für die es keinen Grenzwert gibt, kann man erkennen, welches Potenzial das Motorrad lärmmäßig hat.

Euch kann man nicht trauen!

Die Rechnung, die Arge2Rad aufmacht, belegt genau das Gegenteil der Karin-Munk-Behauptung und entlarvt die Lüge: Das Standgeräusch ist Stand dieser unseligen Norm tatsächlich der weit verlässlichere Wert, um Krachkisten ab Werk zu identifizieren. Die Ducate Panigale schießt auf der Straße und im Fahrzeugbrief den Vogel ab. Sie ist im lobby-manipulierten Fahrgeräusch nur auf dem Papier genauso laut wie der Burgman, aber im unlimitierten Standgeräusch ganze 24 dB lauter als der leise Suzuki Roller. Das sind Welten, die genau das Stangeräusch im Fahrzeugbrief abbldet.

Für EURE dreiste Lobby-Lüge habt ihr ein goldenes Belästiger-Schweinchen verdient, das wir Euch bei Gelegenheit gerne zuschicken. Eure Verbrauchertäuschung sorgt nicht dafür, dass man Euch trauen kann, wenn Ihr in Eurer Pressemitteilung „…ab 2024 noch leisere Motorräder…“ versprecht.

Dürfen wir raten? Noch leiser? Eine Ducati Panigale mit 50 dB Fahrgeräusch und 110 dB Standgeräusch vielleicht?

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10 Responses

  1. Grüße aus Tirol,

    ja, das Tiroler Modell basiert auf einem Krückstock. Aber dass wir nur diesen Krückstock (Standgeräusch) haben verdnaken wir der Motorradlobby. Sie hat dafür gesorgt dass alle Motorräder im Fahrgeräusch heute auf dem Sprüfstand gleich laut sind. Das Tiroler Modell funktioniert etwas, wir Anwohner sind etwas entlastet. Jedenfalls mehr als zu Zeiten der leeren Appelle und unnützen Kontrollen. Hier könnten wir Österreicher vielleicht doch Vorbild sein 😉

    Liebe Grüsse und weiterkämpfen gegen unützen Krach
    Gerhard

  2. Es gibt da so ein Modell, daß Lügner irgendwann ihre Lügen für bare Münze nehmen. Vermutlich glaubt die Zweiradindustrie wirklich, dass alle Fahrzeuge im Fahren maximal 77 DB laut sind. So wie sie vollmundig verbreitet hat, die Fahrzeuge seien bei der letzten Novelle des gesetzes 3 DB leiser geworden.

  3. Der Redakteur möge bitte mal den Begriff „Standgeräusch“ beschreiben, mir ist nur das Procedere der Messung im Stand bekannt, dieses Verfahren ist nicht gleichzusetzen mit dem tatsächlichen Standgeräusch.
    Oder liege ich hier falsch ?

    • Standgeräusch ist nicht, dass ein Fahrzeug im Standgas vor sich hinblubbert, sondern auf dem Ständer halbe Nenndrehzahl…
      Also das Procedere der Messung durch die Polizei im Stand.

  4. Zufällig auf diese Seite gestoßen und bei mir bleibt nur ein Eindruck hängen: Glauben Sie wirklich mit einer so extrem unsachlichen und polemischen Darstellung der Sachverhalte und reinem polarisieren (von konstruktiven Argumenten sehe ich hier nichts) zu dienen? Ich jedenfalls habe keine Lust mich immer nur (in die eine oder andere Richtung) aufzuregen – da ist mir mein Leben zu schade für – für konstruktiven Dialog nicht… Just my 2 cents…

    • Na, was wollen Sie denn für „konstruktive Argumente“ von dauer-belästigten Anwohner hören?
      Wo sehen Sie bei speziell diesen Thema der Arge2Rad eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema?

    • Gegen Ihre Interessen = unsachlich?
      Wäre nicht der Eindruck entstanden, Sie ständen auf der Seite der Problemverursacher, wäre ein trockener Sonntagnachmittag in unserem Garten sehr aufschlussreich.

  5. Ich verstehe nicht, was an der Thematik polemisch sein soll. Wenn sie beginnend am Sonntag 06:30 Uhr in einem ansonsten friedlichen, naturnahen Tal vom Lärm (sicher > 77dB) des ersten Motorradfahrers aufgeschreckt werden, weil er in zwei Kilometern Entfernung am Berg schaltet und es dann den ganzen Tag so weitergeht oder wenn sie in der Nähe einer Autobahn wohnen und selbst nachts Rowdys mit manipuliertem Auspuff durchrasen, dann empfindet man das als Lärmterror und es hat nichts mit Polemik zu tun.
    Echte Maßnahmen sind auch in Bayern längst überfällig. Ich habe Respekt vor den Tirolern, die es schaffen zur Wehr zu setzten.

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Letzte Kommentare
  1. Ladendiebstahl und Unfallflucht sollen auf FDP-Wunsch Ordnungswidrigkeiten werden. Bei der Denkweise werden Rasen und Lärmen eher noch staatlich subventioniert.

  2. In Sachen Umweltschäden werden ja inzwischen weltweit gegen deutsche Unternehmen mit hohen Schadensersatzforderungen gerichtliche Verfahren nah dem Verursacherprinzip geführt. Vielleicht…

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