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LÄRM – DAS UNTERSCHÄTZTE UMWELTGIFT – zum Weiterlesen ausklappen

Motorräder sind – neben einigen Sportwagen – die lautesten Straßenverkehrsteilnehmer. Der besonders belastende Auspuff-Lärm wird mittels „Sounddesign“ bewusst erzeugt und soll bei den Verursacher*innen „Emotionen“ wecken und darüber die Verkäufe ankurbeln. Die Hersteller wetteifern um besonders charakteristische – sprich belästigende – Geräusche. Doch dieser Wettstreit wird zu Lasten der Menschen an den Straßen ausgetragen. Eine erhöhte Lärmexposition mindert die Lebensqualität und kann unter anderem zu Schlafstörungen, Gehörschäden, Gefäßerkrankungen, Bluthochdruck und kognitiven Beeinträchtigungen bei Kindern führen. In Deutschland werden laut UBA 76 Prozent der Menschen von Straßenverkehrslärm gestört oder sogar belästigt. Einzelne extreme Lärmsituationen (sog. Lärmspitzen) sind dabei besonders belastend.

Für die einen ist es „Sound“,
für die anderen eine ständige Tortur.

Lärm ist nachweislich gesundheitsgefährdend. Das hat der Gesetzgeber erkannt. Nach § 49 StVZO „müssen Kraftfahrzeuge […] so beschaffen sein, dass die Geräuschentwicklung das nach dem jeweiligen Stand der Technik unvermeidbare Maß nicht übersteigt.“
Es gibt auch relativ leise und akustisch unauffällige Motorräder (=Stand der Technik).
Warum sind dann andere Motorräder trotzdem so unsäglich laut?
Es gibt drei typische Vorgehensweisen, wie Motorräder „über das unvermeidbare Maß hinaus“ lauter gemacht werden:

Zu laut zugelassen – ab Werk

Die Industrie entwickelt und verkauft Kräder, die ab Werk lauter sind als nötig. Weil die Industrie als interessierter Kreis die Normengremien der UNECE dominiert, legt sie selbst fest, wie diese Normen verfasst werden. Die Schlupflöcher baut sich dieses Lärm-Kartell gleich mit ein. Am Schluss werden eine neue Norm und (auf dem Papier) leisere Fahrzeuge präsentiert. Techniktricks wie Auspuffklappen sorgen dann dafür, dass die Fahrzeuge auf dem Messpunkt normgerecht leise sind. Abseits des Messpunkts ist ein so ab Werk manipuliertes Motorrad schnell so laut wie 100 normale.

Lautes Zubehör mit EU-ABE

Motorrad-Besitzer*innen, denen das Lärm-Level ab Werk noch nicht reicht, können sich auf dem Zubehörmarkt spezielle Auspuffe, Klappenumsteller von leise auf laut, Luftfilter und Elektroniklösungen besorgen, die das Motorrad nochmals lauter und charakteristrischer (=belästigender) machen. Diese Teile – meist mit EU-ABE in einem anderen EU-Land homologisiert – bringen zusätzliche Dezibel. Auch hier hat der Markt Schlupflöcher gefunden, so dass viele dieser Produkte laut – aber im Sinne schlechter und löchriger gesetzlicher Regelungen oft legal sind. Und einmal in Verkehr gebracht, genießt das Bauteil dann jahrzehntelang Bestandsschutz. Beworben wird das ganze dann als legaler Sound – also legaler Lärm.

Ohne Hemmungen: Sound frisiert

Hier wird es illegal – aber nicht folgenreich für die Täter*innen. Vom den Halter*innen ausgeräumte Schalldämpfer und umprogrammierte oder mechanisch manipulierte Auspuffklappen machen Motorräder unerträglich laut. Aber nicht immer ist das für die Polizei ersichtlich. Deshalb fährt ein nicht unerheblicher Teil der Lärmverursacher*innen mit demontiertem DB-Eater oder versteckten Klappenschaltern. Die Gefahr erwischt zu werden ist verschwindend gering. Falls doch, sind die Geldbußen deutlich zu niedrig und maximal ein temporäres Erlöschen der Betriebserlaubnis droht. Seit 2015 gibt es dafür nicht einmal mehr Punkte wie zuvor.

Fazit

Der Markt will es laut und die Kund*innen bekommen, was sie wollen – auf Kosten der Anwohner*innen beliebter Motorradstrecken. Wir reden nicht von der einen oder anderen Vorbeifahrt – wir reden von hunderten, die den Menschen auch zu Erholungszeiten jegliche Chancen auf Ruhe nehmen.

ES IST BEKANNT UND ES IST AMTLICH – ABER ES TUT SICH NICHTS – zum Weiterlesen ausklappen >>

Seit 20 Jahren kämpfen Anwohner*innen beliebter Motorradstrecken und Hotspots um ihre Ruhe. Es ist nicht besser geworden, auch wenn mittlerweile viele Institutionen mit Expertise bestätigen, dass mit der Normengestaltung und deren Auslegung durch die Fahrzeugindustrie und durch die Fahrer*innen einiges schief läuft. Institutionen vom Umweltbundesamt über Technische Prüforganisationen bis zu Minister*innen, von Tests einzelner Fahrzeuge bis hin zu breit angelegten Feldtests belegen: Mit dem Fahrgeräuschwert von z.B. 77 dB(A) im Fahrzeugbrief hat die Realität nichts gemein.

„Das Motorradlärm Problem ist absolut ungelöst. Der Bund muss endlich handeln.“
(Winfried Hermann, Verkehrsminister Baden-Württemberg)

Das Land Baden-Württemberg hat den Fahrzeugverkehr im Feld untersucht und gemessen. Ein Drittel der Pkw und ein Sechstel der Motorräder waren in den Pegelbereichen bis 83 dB(A) unterwegs. Das Fahrgeräusch der Motorräder spielte sich vor allem in den Pegelbereichen 84 bis 86 dB(A) ab. 
Im Schnitt etwa 30 Prozent der Motorräder wurden mit 90 dB(A) oder lauter gemessen. Ein Unterschied von drei dB(A) hat laut UBA zur Folge, dass das menschliche Ohr diese Lautstärken als doppelt so laut wahrnimmt.

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zweite

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Die Hotspot-Typen

Es existierenden verschiedene Orte, an denen sich die Anzahl von Motorradfahrer*innen häufen. Und mit ihnen nicht selten die Beschwerden. Die vier typischen Brennpunkte werden im Folgenden erklärt:

Diese Kategorie Hotspot findet sich häufig außerorts in landschaftlich reizvollen Gegenden und Naherholungsgebieten. Ab dem Ortsschild geht es mit sinnlos hoher Beschleunigung hinein ins Kurvenparadies. Typische Fahrzeuge sind Sportmotorräder jenseits der 100 PS. Gefahren wird auf Verarbredung schnell, riskant und ohne große Rücksicht auf die Straßenverkehrsordnung und andere Verkehrsteilnehmer.
Es treffen sich häufig immer dieselben Sportfahrer*innen (sog. „Knieschleifer“) zum Abfahren der kurvigen Strecken auf Zeit. Der Tatzeitpunkt sind in der Regel bestimmte Wochentage abends und das Wochenende.

Hier geht es um die großflächigen Motorrad-Ausflugsgregionen, die tausende Freizeit-Biker*innen anziehen, wie beispielsweise der Schwarzwald, Harz, das Sauerland, Weserbergland, ebenso wie die Naherholungsregionen rund um Großstädte. Die Menge ist dabei entscheidend. Unter den tausenden Fahrzeugen ist minestens ein Drittel, das zu laut ist und dazu noch zu laut fährt. Die Lärmbelästigung ist besonders an späten Nachmittagen und frühen Abenden, sowie am Wochenende hoch.

Kioske, Imbisse, Ausflugsparkplätze, Tankstellen oder Applauskurven (Anwesende bejubeln die lärmenden Fahrer*innen) sind gängige Anlaufstellen. Biker*innen treffen sich hier zum „Benzingespräch“. Inklusive Probeläufe der Maschinen und häufig unnötig lauter An- und Abfahrten, die die Anwohner*innen in die Verzweiflung treiben. Dieser gesellige Hotspot böte auch Chancen: Wenn beispielsweise vernünftige Motorrad-Enthusiast*innen auf die lärmende Fraktion, die aller Ruf demoliert, einwirken würden. Erfahrungsgemäß findet solche soziale Kontrolle allerdings wenig statt. Auch die Polizei könnte hier einfach Aufklärungsarbeit unter den Biker*innen verrichten.

Poser*innen gibt es auf zwei und vier Rädern. Sie präsentieren sich innerorts stets da, wo es Publikum gibt, wie auf Flaniermeilen, vor Bars, Straßencafés und Eisdielen. Die Biker*innen passieren diese Orte auf dem Hinterrad fahrend, traktieren die Passant*innen mit lauten Gasstößen und zelebrieren Beschleunigungsorgien in niedrigen Gängen. Alles nur, um maximale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und das rund um die Uhr. Lediglich ein einziger offener Auspuff kann in einer Innenstadtlage tausende Menschen aus dem Schlaf reißen.

Fazit

Je nach Hotspot-Typ gibt es unterschiedliche Handlungsempfehlungen für Polizei und Behörden. Welche Maßnahmen Sie als Betroffene einfordern können, wird ausgiebig in einem Leitfaden für die Polizei erläutert [siehe: Thesenpapier Dieter Schäfer]. Unserere Grundsatzforderungen sind vom Bund und der EU klare Lärmobergrenzen bei der Typzulassung und dass die Länder den Polizeibehörden hierfür mehr Mittel und Personal zur Verfügung stellen.

Machen Sie mit! Melden Sie Ihren Hotspot über die Motorradlärm Deutschlandkarte:

Tragen Sie Ihren persönlichen Hotspot-Karte ein.
Voraussetzung für die Eintragung eines Hotspots in die Karte ist ein Nachweis über eine Presseveröffentlichung, dokumentierte Beschwerden bei Behörden oder die Dokumentation juristischer Auseinandersetzungen um das Thema. Bitte reichen Sie einen Beleg über das Upload-Tool mit ein:

HOTSPOT MELDEN – Formular öffnen und eintragen >>

Quellen-Hinweis: Die Tageszeitung TAZ hat als erstes überregionales Medium das Thema Motorradlärm aufgegriffen. TAZ-Redakteur Jost Maurin hat den Skandal um Normen- und Auspuffschummeleien mehrfach ausgiebig thematisiert (link übers TAZ-Logo) und mit einer solchen Karte anschaulich gemacht. Für die Recherchebasis zeichnet der BUND Arbeitskreis Motorradlärm im Rems-Murr-Kreis verantwortlich – wir danken beiden herzlich für die Arbeit. 
Diese Karte macht sichtbar, dass Motorradlärm ein deutschlandweites Problem ist – und dass Betroffene nicht allein sind mit ihrem Problem.

Nehmen Sie Kontakt auf mit Ihrer Hotspot-Region:

VAGM e.V.

VAGM e.V. – Vereinigte Arbeitsgemeinschaften gegen Motorradlärm – bündeln den Widerstand gegen Lärm und den Anwohnerschutz überregional.

Die Initiative im sächsischen Müglitztal wendet sich an Betroffene rund um Dresden, die sächsische Schweiz und das Erzgebirge.

Bürgerinitiative gegen Verkehrslärm und zum Schutz des ungestörten Naturerlebnisses im Zwei-Seen-Land rund um Kochelsee, Walchensee am Kesselberg und Umgebung.

ZU LAUT!

Die Initiative im nordrhein-westfälischen Hattingen wendet sich gegen Motorenlärm von 2 und 4 rädrigen Kraftfahrzeugen in der Region Rhein-Ruhr.

Sulzbacher Steige

Die Sulzbacher Steige zwischen Großerlach und Sulzbach an der Murr ist seit Jahren als Motorrad- und Autorennstrecke in Verruf. Kontakt zur Initiative.

Motorradlärm Weserbergland e.V. ist eine landkreisübergreifende Anwohnervertretung im Weserbergland.

5 Initiativen rund um die Region Osnabrück engagieren sich gemeinsam gegen den Motorradlärm im Osnabrücker Land.

Die Initiative am Feldberg engagiert sich unter anderem für „Lärmpausen“ für die Anwohner und Erholungssuchenden am Luftkurort Schmitten.

Modell-Lösungen gegen das Problem

Bundesweit laufen verschiedene Pilotprojekte an Motorradlärm-Hotspots. Hier erfahren Sie mehr darüber – zum Nachmachen oder Anstoßen:

Geschwindigkeitsbeschränkung

Als einfache, aber durchaus effektive Maßnahme hat der Landkreis Reutlingen seit 2018 von Mai bis August im Lautertal zwischen Buttenhausen und Indelhausen an Wochenenden und gesetzlichen Feiertagen eine Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit für Krafträder auf einer Länge von 300 Metern nach der jeweiligen Ortsausgangstafel auf 50 km/h angeordnet. Das verlagert den Lärm beim Beschleunigen der Krafträder zumindest auf einen etwas vom Ortsrand entfernten Ort und führt damit zu einer gewissen Lärmreduktion.
Auch das Verkehrsministerium hat die Maßnahme gebilligt:

Lärmblitzer in Europa

Diese neue Messtechnik wurde vom Lärmschutzverband „Bruitparif“ entwickelt. Seit September 2019 werden die Meduse genannten Geräte in Paris sowie sieben weiteren Städten Frankreichs in einer zweijährigen Pilotphase getestet. Hierbei wird ein System aus Mikrofonen und Kameras in einer kompakten Messeinheit kombiniert. Bei zu hohen gemessenen Schallpegeln löst die Kamera aus und erzeugt ein Bild des Lärmverursachenden. Im Nachgang kann dieses dann ausgewertet werden.
Ein Bußgeld wird noch nicht verhängt, steht aber bereits fest: 135 Euro, wenn der Lärmblitzer bei 80 Dezibel auslöst. Die Strafverfolgung wird in Frankreich voraussichtlich 2023 in Kraft treten.
Weitere Länder mit Lärmradar-Testphasen sind derzeit: England (4), Spanien (2), USA (geplant 6), Niederlande (geplant). Auch in der Schweiz wird das Thema bereits diskutiert.
In Berlin wurde ersten Halbjahr 2023 Lärmblitzer (das Nachfolgemodell Hydre) installiert und ab Juni für sechs Wochen testweise Messungen vorgenommen nehmen. Auch im Hochtaunuskreis rund um den Feldberg ist der Einsatz eines Lärmblitzers im Gespräch. Die CDU/SPD/FW-Kreistagsfraktionen hatten im Juni 2022 beim BMDV die testweise Zulassung eines Lärmblitzers beantragt.

Wechselnde „Lärmpausen“

Von April bis einschließlich Oktober werden seit 2020 einzelne Strecken im Feldberggebiet am jeweils zweiten Wochenende eines Monats für Motorräder gesperrt. Damit wollen Landkreis und Kommunen Lärm entgegenwirken und Unfallzahlen senken. Dem voraus ging eine Testsperrung für Motorräder mit „Vorher-Während-Nachher-Messung“ im Frühjahr und Herbst 2019 für je zehn Tage an vier Straßenabschnitten.
Auch im Jahr 2022 wurde das Projekt weitergeführt und es kam zu temporären Sperrungen von vier Straßenabschnitten.

Kontakt:
Hochtaunuskreis – Der Kreisausschuss

Büro des Landrats
Ludwig-Erhard-Anlage 1-5
61352 Bad Homburg v.d. Höhe
Telefon: 06172 999 – 9115
lisa.meier-ebert@hochtaunuskreis.de

Sperrungen

Falls keine anderen Maßnahmen greifen, braucht es Streckensperrungen, um den Verkehr auf weniger besiedelte Regionen umzuleiten.
Dies ist nach Straßenverkehrsgesetz (StVG) § 6 (4) auch möglich zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen oder für „Sonderregelungen an Sonn- und Feiertagen“.
Das Unfallgeschehen als Begründung von Maßnahmen ist nicht notwendig.

Rüttelstreifen

werden in Deutschland vereinzelt angewandt zum Versuch der Geschwindigkeitseduzierung und und damit des Lärms.

Es gibt unterschiedliche technische Ausformungen der oftmals umstrittenen Rüttelstreifen – von eingeprägter Fahrbahn bis hin zu aufgebrachten Kunststoffstreifen.
Grundsätzlich nimmt die Lärmbelastung durch die „Fahrbahngeräusche“ (Klack, klack, klack“) dabei allerdings zu.
Beispiele:

• L84 Bergstraße Bad Essen (Landkreis Osnabrück)
Download Dokumentation Pilotprojekt L 84/ Bad Essen

• B85 Kyffhäuser nach Kelbra
Bericht: Thüringer-Allgemeine

• L 197 Stetten – Thiergarten (Landkreis Sigmaringen)
Bericht: Land Baden-Württemberg 2021

• B14 Waiblingen Sulzbacher Steige (Rems-Murr-Kreis)
Bericht Backnanger Kreiszeitung 2018

Umfrageergebnis: Mehrheit der Deutschen fordert Vorgehen gegen Motorradlärm

Die Politik soll entschiedener gegen Motorradlärm vorgehen. Offenbar haben viele Menschen von destruktiven Motorradgeräuschen langsam die Ohren voll: Rund 71 Prozent der Deutschen befürworten nun sogar Fahrverbote für besonders laute Motorräder auf bestimmten Strecken (Streckensperrungen) – das hat eine repräsentative Umfrage im Auftrag des SPIEGEL ergeben. Gefragt wurde:
„Fänden Sie es richtig oder falsch, wenn zeitweise Streckenabschnitte für besonders laute Motorräder gesperrt werden?“

eindeutig
richtig/
eher richtig

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entschieden

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eher falsch/ eindeutig
falsch

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