„Lärmgate nach dem Strickmuster von Dieselgate: Umwelthilfe und Motorradlärm-Gegner kündigen Klage gegen Auspuffklappen an Motorrädern und Pkw an“
Hannover. Ein Tag im Zeichen des Motorradlärms – und der Psychologie dahinter: Rund 60 Personen waren Ende Oktober zur Vernetzungsveranstaltung des Bundesverbandes gegen Motorradlärm und der Deutschen Umwelthilfe nach Hannover gekommen und erlebten eine breite Aufarbeitung dieses Lärmproblems – das an derzeit mindestens 700 dokumentierten Hotspots in Deutschland für die Anwohner zu einem geradezu existenziellen Thema geworden ist. Das Publikum setzte sich aus Betroffenen zusammen: Anwohner, Motorradlärmaktivisten – aber auch Motorradfahrer und Motorradlobbyisten waren vertreten.
>> Polizeispezialist
Hauptproblem sind Auspuffklappen
>> Motorradlärm aus Psychologensicht
„Rücksichtlos wie Furzen in der Öffentlichkeit“
>> Psychoakustiker
Der Lärmblitzer funktioniert – auch am Ku’damm:
Motorräder akustisch am auffälligsten
>> Umweltminister
unterstützt einstimmige Forderung an Bundesregierung zur Umsetzung des Bundesratsbeschlusses 125/20
>> Anwohnerinitiativen
identifizieren bislang mehr als 700 Motorradlärm-Hotspots bundesweit
Christian Meyer
Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz Niedersachsen
Umweltminister fordert:
Umsetzung von Bundesratsbeschluss 125/20
Die Vernetzungsveranstaltung war Teil eines vom Land Niedersachsen geförderten Gesamtprojektes gegen Motorradlärm. Umweltminister Christian Meyer würdigte in seinem Grußwort das Engagement der Initiativen und das der Vorgängerregierung, die das Projekt initiiert hatte. Aktuell verwies er auf eine einstimmige Aufforderung der Verkehrsministerkonferenz an die Bundesregierung, den Bundesratsbeschluss zum Motorradlärm aus dem Jahr 2020 endlich zu bearbeiten. Darin werden weitreichende Befugnisse für Länder, Städte und Gemeinden gefordert, um dem Problem vor Ort mit Maßnahmen begegnen zu können.
Hauptkommissar Thomas Hohn, Motorradstaffel Polizei Stuttgart
Polizei-Spezialist:
„Hauptproblem ist die Auspuffklappe“
Der Leiter der Kontrollgruppe Motorrad in Stuttgart, Polizeihauptkommissar Thomas Hohn, wandte sich an die anwesenden Biker: „Über eines müsst Ihr Euch im Klaren sein: Irgendwann wird die Politik reagieren – und dann ist der Spaß vorbei.
Es sei denn, Ihr sucht den Kompromiss“.
Hohn hatte zuvor aus 20 Jahren Erfahrung mit besonders lauten Motorrädern berichtet: Beispielsweise von neuen Methoden, Auspuffanlagen so zu manipulieren, dass die Polizei fast machtlos scheint, sie zu erkennen. Oder von Manipulationen
„ab Werk“ mit dem Hauptproblem „Auspuffklappe“, die heute bei vielen PS-starken Motorrädern serienmäßig- oder nachgerüstet verbaut wird und ganz legal extremen Lärm produziert.
Prof. Dr. Hans-Jörg Zonj, Universität Bern
Psychologie-Professor: „…ziemlich rücksichtslos”
Und der Lärm, so die Psychologie, sei von den Motorradfahrenden ausdrücklich erwünscht. Der Berner Psychologieprofessor Hansjörg Znoj hatte in seinem Einführungsreferat auf die intensive Bindung zwischen Mensch und Maschine hingewiesen und das Motorrad gar als Orthese, als eine Art künstliches Körperteil, bezeichnet. Diese enge Verbindung, die ungestüme Kraftentfaltung und das gefährliche Dröhnen der Maschinen setzen hormonelle Prozesse in Gang, die für Risikosportarten typisch sind. Mit dem Motorradfahren, so Znoj, brechen die Fahrenden aus den Zwängen des Alltags aus und zeigen dabei eine gewisse Rücksichtslosigkeit gegenüber ihrer Umwelt: „In der Öffentlichkeit zu furzen ist ziemlich rücksichtslos“. Jansjoerg Znoj ist selbst Motorradfahrer und hat ein Buch über die Psychologie des Motorradfahrens geschrieben.