Zum Tag des Lärms – 24.4.2019

Berlin/Stuttgart. Landauf, landab regt sich Widerstand gegen mutwilligen Auspufflärm. Bürgerinitiativen gründen sich, Kommunen versuchen im Sinne ihrer Bürger örtliche Lärm-Hotspots zu entschärfen. Bürgermeister sprechen von Lärmterror. Ganze Erholungsregionen wie der Schwarzwald, das Sauerland oder die Eifel diskutieren das Problem des Motorradlärms. Und in den Städten versucht die Polizei, das Poser-Unwesen auf zwei und vier Rädern zu bekämpfen. Zum „Tag des Lärms“ beziehen der Arbeitskreis Motorradlärm des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND e.V.) und die Vereinigten Arbeitsgemeinschaften gegen Motoradlärm (VAGM e.V.) Stellung: „Die Situation an den Lärm-Hotspots verschärft sich. Der Schutz von Anwohnern und Erholungssuchenden wird weiter vernachlässigt, Bundes- und Europapolitik tun wenig gegen diesen mutwilligen, gesundheitsgefährdenden Lärm“ sagt Holger Siegel, Sprecher des Arbeitskreises Motorradlärm im BUND und Vorsitzender der VAGM.

Warum ist gegen das Problem derzeit kein Kraut gewachsen? Der BUND verweist auf aktuelle Tests aus der Schweiz, die zeigen, dass die europäische Überarbeitung der Auspuff-Lärmnormen in 2016 keine Besserung gebracht hat – im Gegenteil. Fahrzeuge, die nach 2016 unter dem neuen Regelwerk Euro-4-Norm (ECE-R41-04) eine Typzulassung erhalten haben, wären nach der Vorgängernorm nicht zulassungsfähig gewesen – weil zu laut. „15 Jahre lang haben die Normierungsgremien getagt und ein ineffektives Bürokratie-Monster geboren, das den Lärmern und den Herstellern jetzt offensichtlich völlig freie Hand lässt,“ fügt Holger Siegel hinzu.

 Seit mehr als einem Jahrzehnt ist bei Motorrädern „cycle beating“, das Umgehen von Lärmnormen durch Auspuffklappen, im industriellen Maßstab üblich. Verlärmt werden Städte und Naherholungsgebiete vor allem durch leistungsstarke Motorräder.
 Foto: Arne Hettrich / BUND
Seit mehr als einem Jahrzehnt ist bei Motorrädern „cycle beating“, das Umgehen von Lärmnormen durch Auspuffklappen, im industriellen Maßstab üblich. Verlärmt werden Städte und Naherholungsgebiete vor allem durch leistungsstarke Motorräder.
Foto: Arne Hettrich / BUND

Die Motive für diesen Normen-Betrug lägen auf der Hand: „Viele Kraftradfahrer wollen Sound, weil das Geräusch des Motorrads in den Ohren der Käufer wichtige Produkteigenschaft ist. Die Fahrzeug- und Zubehörindustrie, die über ihre Lobbyisten wichtigen Einfluss auf die Gestaltung der Produktnormen nimmt, tut allerhand, um diese Nachfrage zu befriedigen und mit Lärm Geld zu verdienen.“ Mit der aktuellen Euro 4-Norm sind zwar auf dem Papier zwei Dezibel Lärmreduktion herausgekommen – auf die Straße jedoch kommt ein Motorrad, dass um ein Vielfaches lauter ist, als sein Vorgängermodell nach der alten Norm. Das hatten Schweizer Untersuchungen des Verbraucherschutzmagazins „Der Beobachter“ am DTC-Prüfinstitut in Bern belegt.

Anders als beim Dieselbetrug begünstige die Norm nicht nur die Herstellerseite, sondern auch die zahlenden Kunden – auf Kosten der Anwohner, der Erholungssuchenden und der Allgemeinheit. Leisere Fahrzeuge wären möglich. Stattdessen nutzt die Industrie ein Instrumentarium, ähnlich wie beim Dieselskandal: Zykluserkennung, Motormanagement und Auspuffklappen hebeln eine korrekte Lärmmessung bei der Typzulassung aus. Auf der Straße sind die Motorräder dann um ein Vielfaches zu laut.

Obendrein verkaufen namhafte Hersteller auch bei neuen Sportwagen Lärmgeneratoren und elektronisches Sounddesign wie künstliche Fehlzündungen, die kanonenschlagartig ganze Häuserzüge in Innenstädten wecken.  Dass es sich dabei um weit mehr als ein Kavalierdelikt handelt, beweise die Einstufung des Lärms bei der Weltgesundheitsorganisation WHO. Die ordnet dem Lärm die zweithöchste Krankheitslast zu – gleich nach der Luftverschmutzung.

Zum Tag des Lärms legen die Arbeitsgemeinschaften einen unmissverständlichen Aufkleber vor, der eine Botschaft an die Kunden der Lärmindustrie sendet: „Sei kein Arschloch, fahr‘ leise“ sagt der Gartenzwerg mit Gehörschutz.

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Letzte Kommentare
  1. Ladendiebstahl und Unfallflucht sollen auf FDP-Wunsch Ordnungswidrigkeiten werden. Bei der Denkweise werden Rasen und Lärmen eher noch staatlich subventioniert.

  2. In Sachen Umweltschäden werden ja inzwischen weltweit gegen deutsche Unternehmen mit hohen Schadensersatzforderungen gerichtliche Verfahren nah dem Verursacherprinzip geführt. Vielleicht…

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