Landauf, landab – das Thema Motorradlärm und zunehmend auch der Poser-Lärm von Pkw machen Schlagzeilen in den Medien. Das Dilemma: Während die Bürger aufbegehren, muss sich die Polizei Tricks und Winkelzüge überlegen, um überhaupt ein Mindestmaß an Abschreckung zu ermöglichen. Die Politik legt die Hände wahlweise in den Schoß oder verweist nach Brüssel. Ja, das ist genau das, was Europa braucht – den Verweis der Sache an das europäische Bürokratiemonster. Doch leider ist es nicht so einfach, weil die deutsche Politik, allen voran die aktuelle Bundesregierung, es versäumt hat, der Lobby der Lärmer und ihrer willfährigen Helfer in der Industrie Paroli zu bieten. Eine unpraktikable Norm, viele Schlupflöcher, Übergangsregelungen, die noch Jahrzehnte dafür sorgen werden, dass Krachmaschinen von vor 2016 noch lange unverändert weiterproduziert werden können. „Das ist der nächste dicke Skandal nach dem Diesel-Thema,“ sagte uns unlängst ein Polizist aus Mannheim, der intensiv mit der Sache befasst ist. Also alles beim Alten? Nicht ganz. Demonstrationen und Bürgerinitiativen – das ist das Thema dieses Lärmsommers.

In Lindenfels wurde ein Mitarbeiter des Ordnungsamts eigens für das Motorradlärm-Thema abgestellt, wie der Mannheimer Morgen hier berichtet. Die Burgstadt bei Mannheim leidet unter den Krachmachern.

Die Stimmung in der Eifel ist weiterhin gereizt: Wie jedes Jahr im Sommer kommen massenweise Motorradfahrer in die Eifel. In diesem Jahr hat die Diskussion gewaltig Fahrt aufgenommen. Viele Anwohner sind einfach nur noch genervt vom Motorradlärm, der nicht nur am Wochenende über dem Rurtal liegt, wie die Aachener Zeitung berichtet. Peter Stollenwerk kommentiert: Der Lärm ist ein bundesweites Problem, nicht nur eines der Eifel. Er stellt Forderungen auf, die denen des BUND Arbeitskreises Motorradlärm entsprechen.

Auch in Mannheim geht die Jagd auf Poser auf zwei und vier Rädern weiter, wie die Welt berichtet: Das Klientel erweist sich als absolut unbelehrbar – schon gibt es die ersten Mehrfach-Wiederholungstäter und hoffentlich bald auch weitere Führerscheine, die verloren gehen. Die Welt hat übrigens ein druchaus zwiespältiges Verhältnis zum mutwilligen Motorenlärm: Der Motor-Redaktion kann es nicht laut genug sein – und dann brav darüber berichten, wie in Mannheim Fahrzeuge aus dem Verkehr gezogen werden, die eben noch für ihren atemberaubenden Sound gelobt wurden.

Einen Eindruck, welche Kosten Lärm verursacht, damit er weniger auf die Gesunheit schlägt, vermittelt ein Artikel aus der Saarbrücker Zeitung: Für etwa 1,6 Millionen Euro wird in Sengscheid die Lärmschutzwand zur Autobahn 6 erneuert. Sie soll 700 Meter lang und 2,50 Meter hoch sein. Zitat: „Ein direkter Anlieger beschrieb sein schönes Grundstück, wo er im Sommer mit seiner Familie kaum im Freien sitzen könne, weil die Geräuschkulisse, die durch die Lkw oder Motorräder hervorgerufen werde, nahezu unerträglich sei.“ Merke: die einen kaufen Sportauspuffe, die anderen Lärmschutzfenster. Die einen haben ihren Spaß, die anderen einen Herzinfarkt.

Radio Lippe berichtet über eine Todeskurve, die saniert werden soll. Solche Beinamen beziehen sich in der Regel auf unsere Lärmklientel. Und wie immer der obligatorische Abspann: „Mit Forderungen nach einem Blitzer oder der zeitweiligen Sperrung der Straße für Motorräder hatten die Kalletaler Anwohner keinen Erfolg.“ Lieber Lärmschutzwände bauen und die Strecke renntauglich ausrüsten…

Schon bemerkenswert, wie Motorradlärm die Leute mittlerweile um die Lebensqualität bringt: So berichtet die Badische Zeitung zum Aktionsprogramm „Todtmoos 2030“, dass die Bürger „die Verkehrsanbindung, das Fehlen großer Mietwohnungen und die Betreuung von Kindern unter drei Jahren, die Leerstände und den Motorradlärm“ kritisieren. Den Schwarzwald nehmen die ledernen Ritter eben besonders hart ran.

Die Bergische Morgenpost hat eine mobile Redaktion ausgerufen, die aus Wermelskirchen und Teilorten berichtet. Unvermeidliches Thema auch im Naturpark Bergisches Land: der Motorradlärm, wie RP-Online berichtet.

Auch die lieben Nachbarn in Österreich haben Probleme mit der europäischen Lärmkultur: Das Außerfern (Innsbruck) wird vielerorts zur Teststrecke für motorisiserte Zweiräder. Es ist die erste Saison, wo Tempolimits den Lärm der Motorräder einbremsen sollen. Die Tiroler Tageszeitung berichtet: Die Bürgermeister der Region hatten sich zusammengeschlossen, um die Bewohner im „Biker-Paradies“ Außerfern und Oberland zu schützen.

In Bad Münder (Deister, Niedersachsen) hat die örtliche Verwaltung alles aufgeboten, was die Gesetze hergeben. Geholfen hat es nichts bis wenig, wie die NDZ vom Nienstedter Pass berichtet: Für mehr als einen Impuls am Bremsfuss reichen Messgeräte und Plakate nicht aus – der Lärm bleibt.

Vom Oberen Wiesenthal (Baden) berichtet die Badische Zeitung. Der baden-württembergische Lärmschutzbeauftragte Thomas Marwein zeigt sich dort überzeugt, dass die Lärmdisplays für 13.000 Euro das Stück wirken. Vielleicht wirken sie nach Hahnemann in homöopathischen Dosen: Uns erreicht von Anwohnern das Feedback, dass wohl eher Gesundbeterei und Placeboeffekt am Wirken seien. Im benachbarten Präg, wo der Gletscherkessel ein beliebtes Tummelfeld von Lärmchaoten ist, hat man übrigens die Schnauze voll von Politikerbesuchen. Die Badische Zeitung zitiert: „Es waren schon Landtagsabgeordnete, Bundestagsabgeordnete und Europaabgeordnete hier“, sagt etwa Hanspeter Steinebrunner, der Ortsvorsteher von Präg. „Passiert ist bislang gar nichts. Wir sind frustriert.“

Aus St. Gallen meldet sich die  Kantonspolizei über die Neue Zürcher Zeitung zu Wort: Viele junge Männer im Alter zwischen 18 und 30 Jahren unternehmen in der Ostschweiz nicht etwa anständige sonntägliche Ausfahrten mit ihren «potenten Autos und Töffs (Motorräder)». Er meint damit Modelle von Audi, BMW, Porsche, Mercedes, vereinzelt auch solche von Ferrari oder Lamborghini, darüber hinaus Motorräder. Es häufen sich Bescherden durch den Krach, den sie dabei verursachen. Die Schweiz importiert nicht nur die deutschen Marken für ihre solventen Halbstarken, sondern auch die löchrigen europäischen Lärm-Normen.

Aus Schramberg im Schwarzwald berichtet der Schwarzwälder Bote von einem Polizeiposten, wo es bei den Mitarbeitern eine ganze Reihe „versierter Spezialisten“ gebe. Das hat uns dann doch interessiert, denn die gibt es sonst selten. Der Revierleiter gibt zudem ein paar Gutsle (schwäb. für Bonmot) zum Besten: Waren wir nicht alle mal jung – brumm brumm? Wo er recht hat: „Es sind nur wenige Verkehrsteilnehmer, die ihre Fahrzeuge bewusst manipulieren. Und diese haben unsere ›Spezialisten‹ im Visier“. Und der Rest kauft manipulierte Auspuffe als legale Zusatzausstattung: www.vulgarius.de.

Der Südkurier berichtet aus derselben Gegend (Schonach) von der Verschiebung des Motorradverkehrs von der B  500 (Schwarzwald) auf die L 109. Auf der B 500 haben Behörden einige Maßnahmen getroffen, vor allem die geriffelten Mittelstreifen stören die Motorradfahrer extrem. Dafür hätten Lärm und vor allem Tempo auf der L 109 extrem zugenommen, vor allem an den Wochenenden.

Der Teckbote berichtet aus Kirchheim und Dettingen: Auspuffanlagen, insbesondere von Motorrädern, sollten dort regelmäßig kontrolliert werden, forderte der Bürgermeister. Zu wenig kümmert sich seiner Ansicht nach die Polizei um die schwarzen Schafe unter den Bikern. Mit seinen Klagen ist er nicht allein. Die Bürger in Lenningen und Erkenbrechtsweiler leiden ebenfalls unter den Krachmachern. Bisher sei man von der zuständigen Behörde immer abgewimmelt worden. „Seit Jahren werden uns Kontrollen versprochen, ohne dass was passiert.“, ärgert sich nicht nur er über einzelne Raser, die nachts den ganzen Ort beschallen. Wieso soll es den Schwäbischen Bürgermeistern besser gehen als dem rest der republik?

RP-Online berichtet vom Hotspot Beverdamm/Hückeswagen: Die Polizei macht dort endlich ernst und hatte auf der K 13 bei Oberröttenscheid und am Beverdamm zwei Kontrollstellen eingerichtet, um vor allem die Lautstärke von Motorrädern zu kontrollieren. Bei den beiden Krädern, die die Polizei „entdeckt“ hatte, scheint es sich um Exemplare mit herausgeschraubtem DB-Eater gehandelt zu haben. Gegen den Rest der industriellen Manipulationen haben die Ordnungshüter ja bekanntlich keine Handhabe. Versöhnlicher Schluss: Es gab auch drei abgefahrene Reifen zu reklamieren. Brav!

Aus Radevormwald berichtet RP Online – und da redet einer Tacheles: Die Bundesstraße ist für Motorradfahrer eine der Haupteinfallstraßen von Schwelm über Radevormwald ins Oberbergische Land. Polizei und Kreis kontrollieren regelmäßig, gegen Motorradlärm von 1100 Bikern in sechs Stunden hat sie aber fast keine Handhabe. Ordnungsamt Jochen Knorz: „Die meisten der kontrollierten Zweiräder sind in einem technisch einwandfreien Zustand, so, wie sie zugelassen sind. Bezüglich einer Lärmminderung könne nur der Bundesgesetzgeber tätig werden.“ Yep – vielleicht könnten hier die Schramberger Spezialisten aushelfen?

Nettes Schmankerl von den Hassbergen. Die Neue Presse aus Coburg berichtet unter dem Titel „Die Jagd findet nur auf der Straße statt“ von einer Waldbegehung von Forstleuten: „Die Stille des Waldes wurde durch Motorradfahrer, die den Hambach auf der Staatsstraße 2278 als „Rennstrecke“ benutzen, erheblich gestört. Die Motoren dröhnten so laut, dass die Forstleute mitunter ihrer Erklärungen unterbrechen mussten und das Zwitschern der Vögel nur selten zu hören war.“ Ist alles legal und deshalb egal…

Der Reutlinger Generalanzeiger berichtet vom Hotspot Münsingen/Lautertal: Mit Schildern, Messgeräten, Kontrollen, Geld und guten Worten versucht man dort Lärm und Raserei beizukommen. Bisher ohne Erfolg. Eine Sperrung: auch kein Thema. Dann werden wohl weiter Politiker auf Besuch kommen und ihr Beileid ausdrücken…

Der Acher und Bühler Bote berichtet wiederum aus dem Schwarzwald von der verlärmten Schwarzwaldhochstraße: Ein besonderes Ärgernis sei der „infernalische Motorradlärm“. „Früher waren die Bergwände bei Wanderungen über die Badener Höhe Reflektoren für die Rufe der Hirsche während der Brunst“, erinnerte er sich. „Heute gibt es dort den ohrenbetäubenden Krach der Motorräder, vor allem am Wochenende.“

Last but not least: Der Südwestrundfunk berichtet von einem Anwohner, der mit der Mistgabel in der Hand einen Sportfahrer auf zwei Rädern tätlich angegriffen hat. Der Biker hatte eine Kamera am Helm und postete den Streifen unter seinem Nick „Sumo fighters“. Nein – wir rufen nicht zum Mistgabelattacken auf und verurteilen das bewaffnete Hinterherrennen als Straftat auf das Schärfste!

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Letzte Kommentare
  1. Ladendiebstahl und Unfallflucht sollen auf FDP-Wunsch Ordnungswidrigkeiten werden. Bei der Denkweise werden Rasen und Lärmen eher noch staatlich subventioniert.

  2. In Sachen Umweltschäden werden ja inzwischen weltweit gegen deutsche Unternehmen mit hohen Schadensersatzforderungen gerichtliche Verfahren nah dem Verursacherprinzip geführt. Vielleicht…

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