Zeitungsausschnitt Alfelder Zeitung, 30.4.24

Holger Siegel vom Bundesverband gegen Motorrradlärm im Gespräch mit Ulrich Meinhard, Alfelder Zeitung

Im Disput um Motorradlärm im Weser- und Leinebergland scheinen sich die Positionen weiter zu verhärten. Der Bundesverband gegen Motorradlärm hat jetzt unter der Überschrift „Pilotversuche geschliffen“ einen offenen Brief verfasst. Darin wird nach dem Rückzieher des Landkreises Holzminden, zeit- und stellenweise Fahrverbote für Motorradfahrer zu verhängen, kritisch mit Politik und Verwaltungen ins Gericht gegangen.

HOLZMINDEN/DELLIGSEN. Im Disput um Motorradlärm im Weser- und Leinebergland scheinen sich die Positionen weiter zu verhärten. Einigkeit gibt es allerdings in einem wesentlichen Punkt. Der Bundesverband gegen Motorradlärm hat jetzt unter der Überschrift Pilotversuche geschliffen“ einen offenen Brief verfasst. Darin wird nach dem Rückzieher des Landkreises Holzminden, zeit- und stel- lenweise Fahrverbote für Motorradfahrer zu verhängen, kritisch mit Politik und Verwaltungen ins Gericht gegangen. Holger Siegel, Vereinigte Arbeitsgemeinschaften gegen den MotorradlärmIn dem offenen Brief wird festgehalten: Nachdem der Holzmindener Kreistag im vergangenen Jahr fast einstimmig eine Vermessung und Bewertung von unterschiedlichen Maßnahmen gegen Motorradlarm beschlossen hatte, habe dieses Statement bundesweit einen Sturm der Motorradlobby entfacht“. Kreispolitik, Kreisverwaltung und auch die Landespolitik seien daraufhin eingeknickt. Holger Siegel von den Vereinigten Arbeitsgemeinschaften gegen Motorradlärm (VAGM) sagt im Gespräch mit der AZ: Die Motorradverbände ziehen alle Register der Einschüchterung. Und er stellt zum Holzmindener Rückzieher die Frage: Was für ein Demokratieverständnis erzeugt das?“

In dem offenen Brief heißt es weiter: Die Falschbehauptung, es ginge hier um Fahrverbote für Motorräder, hat verfangen. Richtig wäre, dass nach Jahrzehnten von Lärmbelästigung in besonders betroffenen Hotspots eine temporäre Lärmruhe an einigen Wochenenden des Sommers gegönnt werden sollte.“ Diese Ruhe war auch für den Bereich Grünenplan-Delligsen (Untere Hilsstraße) vorgesehen. Daraus wird nichts, weil das Landesverkehrsministerium in Hannover Streckensperrungen für Motorradfahrer aus rechtlichen Bedenken nicht mittragen will. Deshalb hatte der Kreistag Holzminden entschieden, die geplanten Maßnahmen auszusetzen“.

Von 1000 Motorrädern sind 300 zu laut unterwegs

Die Motorradfahrerverbände würden stets Dialogbereitschaft mit den Anwohnern anführen, wenn es aber um wirksame Maß- nahmen gehe, würden die Lobbyisten keinen Millimeter von ihrer Position des lärmenden und krankmachenden Status quo“ abweichen, moniert Siegel. Er argumentiert, dass von 1000 Motorrädern 300 zu laut unterwegs seien.Auf die Frage, wie eine Zulassung dann überhaupt möglich ist, erklärt er: Das sei mit einer technischen Raffinesse machbar und so auch bei Personenwagen anwendbar. Die Erklärung dazu ist laut autotuning.de folgende: „Das namensgebende Teil des Klappenauspuffs ist die Klappe, die es ermöglicht, den Abgasstrom umzuleiten.“ So lasse sich sowohl ein leiser, schallgedämpfter Kanal, als auch ein lauter, voluminöser Kanal verwenden. Die Verstellung der Klappe sei von Modell zu Modell unterschied- lich und werde entweder automatisch oder manuell per Knopf- druck erreicht. Da, so Siegel, mit den Vertretern der Motorradlobby keine einvernehmliche Lösung zu finden sei, bleibe als einziger Weg gegen Motorradlärm, die Betriebserlaubnis wegzuklagen. Dieses Recht zum Lärmschutz umzusetzen, überlasse die Politik ,,einem Zwergenverein wie uns“. Das Ganze sei ein mühevoller und langwieriger Weg, weil, so Siegel, es in Deutschland kein entsprechendes Prüfinstitut gebe. Aber um welche Werte geht es eigentlich? 77 Dezibel sind erlaubt. Gemessen werden aber? „Bis zu 95 Dezibel“, sagt Siegel. Dabei müsse freilich bedacht werden, dass bereits drei Dezibel über dem Grenzwert schon dop- pelt so laut seien. Siegel spricht von einer logarithmischen Skala. Das wisse aber kaum ein Politiker. Im Bunde sieht er sich mit der Deutschen Umwelthilfe, die Maßnahmen gegen Motorradlärm unterstütze. Ein Drittel der Motorradfahrer, sagt Siegel, habe es gerne extrem laut und die Fahrzeugindustrie bediene diesen Kundenwunsch. „Das ist das Geschäftsmodell Lärm.“

Verbände fordern Vorschläge zum Schutz der Anwohner.

Die Pilotversuche im Landkreis Holzminden werden von den Vertretern der Vereine gegen Motorradlärm im offenen Brief ,,als storniert“ angesehen und damit auch der Versuch, Erfahrungswerte zu unterschiedli- chen Maßnahmen zu gewinnen. Der Bundesverband gegen Motorradlärm, Silent Rider und der Verein Motorradlärm Weserbergland fordern stattdessen von Politik und Verwaltung jetzt konkrete Schutz der Anwohner gegen diese Gesundheitsbelastung, um das Kermproblem Motorradlärm anzugehen“. Die vom Landrat des Landkreises Holzminden, Michael Schünemann (parteilos), ,,gestreute Devise der gegenseitigen Rücksichtnahme ist empathiefreier Hohn in den Ohren der Betroffenen“. Dass Biker Rücksicht nehmen könnten sei klar – aber wie soll denn ein Belästigter auf seinen Belästiger Rücksicht nehmen?“, wird in dem offenen Brief gefragt. Holger Siegel, der übrigens selbst Motorradfahrer ist, pocht darauf: „Es geht leiser.“

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2 Responses

  1. Tja…

    „Aber um welche Werte geht es eigentlich? 77 Dezibel sind erlaubt. Gemessen werden aber? „Bis zu 95 Dezibel“, sagt Siegel. Dabei müsse freilich bedacht werden, dass bereits drei Dezibel über dem Grenzwert schon doppelt so laut seien. Siegel spricht von einer logarithmischen Skala. Das wisse aber kaum ein Politiker.“

    Somit will auch der Verfasser und Herrn Siegel als Experte wohl nicht verständlich darstellen dass die Kernwerte der Diskussion andere Prüfkriterien zugrunde liegen, nämlich 95dBA Standgerausch, gemessen 50 cm vom Auspuff, bei oft halber Nenndrehzahl, und 77dBA in der Vorbeifahrt nach ECE-R41 seit Euro-4.

    Diese, so wie im Text, überhaupt ungeklärt zu vergleichen ist typisch für manipulativer Populismus.

    Zum Glück hat hier das Gesetz und die Demokratie gesiegt und nicht der Populismus einzelner der, statt die Behörden, Politik und Hersteller, lieber Otto Normal ins Vizier nimmt den man kurzerhand, pauschal und ungestraft Betrug und Absicht unterstellt.

    Das Geschäfftsmodel Lärm ist definiert vom Gesetzesgeber. Der soll gefälligst alle Hersteller in die Pflicht nehmen und sich auch selbst an der Nase fassen.

    Schlimm sowas 🙁

    • Und was wollten Sie damit aussagen? Dass die Industrie schuld ist, dass sie ungehemmt Krach machen dürfen? Ich finde keinen Widerspruch… 77 dB Fahrgeräusch sind erlaubt, gemessen an der Straße werden 95. Das ist ein Vielfaches des Zulässigen, denn eine Erhöhung um 3 Dezibel bedeutet eine Verdoppelung der Schallintensität. Schallleistung

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Letzte Kommentare
  1. Wenn man sie gewähren lässt.... Die Motorradlobby ist gut organisiert und der Bundesverband der Motorradfahrer hat offensichtlich gut bezahlte Anwälte,…

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