Das „Geschäftsmodell Lärm“ – staatlich begleitet und politisch gedeckt
Weserbergland Juni 2025 – Der Motorradlärm ist mit den warmen Temperaturen unüberhörbar zurück in der Region – und mit ihm wie in jeder Saison die Ohnmacht der Anwohner.
Nicht nur Manipulation, auch die Masse der „legal“ Lauten sind das Problem
Dabei belegen zahlreiche unabhängige Messreihen: Selbst vollständig straßenzugelassene Motorräder überschreiten im realen Fahrbetrieb regelhaft die Grenzen des Zumutbaren mit Lärmwerten, die für die betroffenen Anwohner massive gesundheitliche Belastungen darstellen. Die technische Legalität dieser Werte wird durch untaugliche Zulassungsverfahren ermöglicht: gemessen wird unter Laborbedingungen, die mit den Lärmwerten im Straßenbetrieb wenig zu tun haben.
Umweltbundesamt spricht vom „Geschäftsmodell Lärm“
Das aktuelle Dieselskandal-Urteil zeigt klare Parallelen zum „Lärmskandal“: Wie beim Abgasskandal liefern Prüfstände saubere Werte, während die Realität auf der Straße weit darüber liegt. Analog dazu sind Fahrzeuge im Test leise, auf der Straße jedoch legal „brüllend laut“ – und werden so sogar beworben. Trotzdem setzt die Polizei im Weserbergland weiter auf wirkungslose „Präventionstouren“ mit Kaffee, Gesprächen und Symbolpolitik. Was als Sicherheitmaßnahme verkauft wird, ist in Wahrheit ein PR-Event mit Polizeibegleitung und Touristikeinkehr, – während das vom Umweltbundesamt als „Geschäftsmodell Lärm“ bezeichnete Phänomen von früh bis spät die Straßen beherrscht. Einzige Lösung gegen den Lärm: die Zahl der Fahrzeuge drastisch reduzieren.
„Die Realität wird ignoriert. Diese Maschinen sind legal, aber keineswegs zumutbar“, kritisiert der Verein Motorradlärm Weserbergland e.V. „Und statt dies zu benennen, spielt die Polizei, die für dieses Problem ja keinerlei Lösungen anbieten kann, mit dem angeblich so „knappen“ Personal den Tourguide.“
Der Bock als Gärtner: umstrittener Motorradraser als Instruktor für Polizeitouren
Als Höhepunkt der Unsensibilität zieht die Polizei ausgerechnet den einschlägig bekannten Betreiber der Motorrad-Organisation mit dem vielsagenden Titel „Rennleitung #110“ als Instruktor für dieses „Konzept“ heran – jemanden, der gesetzliche Lärmbeschränkungen regelmäßig ablehnt, die „Freiheit auf der Straße“ über den Lärmschutz stellt und Rasen beschönigend als „Optimieren der Geschwindigkeit“ bezeichnet.
Polizei als Touristikakteur anstatt Hüter der Regeln?
Angesichts der bisherigen Konflikte rund um Motorradlärm in der Region stößt es vielen Betroffenen bitter auf, wie sich die Polizei nun in Ton und Auftreten demonstrativ an die Seite der Motorradlobby stellt: Ein einstiges Lärm-Schutzprojekt wurde im Vorfeld von Teilen der lokalen Bikerszene – mit Rückendeckung bundesweiter Lobbygruppen – torpediert, Sitzungen wurden gestört, Petitionen lanciert, öffentliche Debatten durch aggressive Beiträge und Desinformation untergraben und Anwohnervertreter mit einer Kampagne attackiert, die klar Grenzen überschritt.
„Dass die Polizei angesichts dieser Lage mit der Aktion über die Köpfe der Betroffenen hinweg noch Öl ins Feuer gießt, ist ein Schlag ins Gesicht der Anwohner, die seit Jahren vertröstet werden.“ so Vereinsvorsitzender M. Renner. „Es sieht so aus, als wolle die Polizei mit ihren Werbetexten, die jedem Touristikunternehmen Ehre machen können, gezielt mehr Biker in die Region locken – und wirft damit uns Anwohnern den Fehdehandschuh hin“, sagt eine Sprecherin der Anwohnerinitiative. „Das ist aktives Standortmarketing von unserem Steuergeld auf Kosten der Menschen, die hier leben.“
„Es ist nicht Aufgabe der Polizei, touristische Werbung für Motorradfahren im Weserbergland zu machen,“ stellt der Verein Motorradlärm Weserbergland e.V. fest.
„Wir haben die hier federführende Polizei Göttingen bereits vor Wochen um Stellungnahme gebeten und sie zur Absetzung dieser Touren aufgefordert. Was allerdings nicht kam ist eine Antwort – dafür noch mehr öffentliche Werbung für die Wohlfühl-Touren in Polizeibegeleitung und lauten Fahrzeugen vor unseren Häusern,“ ärgert sich der Vereinsvorstand.
Jede zweite Maschine fällt durch: Hälfte aller Motorräder nicht regelkonform
Bei den jüngsten Kontrollen in der Rühler Schweiz war von 42 kontrollierten Motorrädern erneut 21 und damit die Hälfte nicht regelkonform unterwegs. Und die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein, da durch ein gut organisiertes Infonetzwerk Kontrollen gezielt umfahren werden. „Schlichtweg unbegreiflich, dass die Motorradszene bei dieser systematischen Regelmissachtung mit Ansage immer noch Rückendeckung erfährt“, ärgern sich die Vereinsvertreter. Passend dazu ist es auch um das letzte „lange Wochenende“ vor der gewohnten Lärmkulisse in allen angrenzenden Landkreisen wieder zu zahlreichen Alleinunfällen gekommen, die still in den getrennten Statistiken verschwinden.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum öffentliche Mittel nicht wie vorgesehen in die systematische Erhebung von Lärmdaten entlang stark belasteter Strecken und in wirksame Maßnahmen zum Gesundheits- und Lärmschutz fließen – sondern stattdessen für das lärmende Freizeitvergnügen von Bikern und den begleitenden Polizeieinsatz aufgewendet werden.
Ist das das Ergebnis jahrelanger Bemühungen um Lärmschutz – ein Einknicken vor der Bikerlobby, die ihren Triumph feiert? Währenddessen ruft der Holzmindener Landrat zu „gegenseitiger“ Rücksichtnahme auf – und erklärt sich bei Anwohnerbeschwerden über Motorradlärm kurzerhand für „nicht zuständig“ …
Fazit:
Während Anwohner weiter um Gesundheitsschutz und Lebensqualität kämpfen müssen, hofieren Polizei und Politik die laute Freizeitkultur auf zwei Rädern – mit Kaffee, Kameradschaft und Kumpanei. Projekte mit Substanz werden blockiert.
Der Motorradlärm ist längst nicht nur ein akustisches, sondern ein politisches Problem – und die Verantwortlichen ducken sich weg.
Die Frage wie der Lärmschutz für Anwohner in der Saison 2025 aussehen sollen, bleibt weiter unbeantwortet.https://motorradlaerm.de/motorradlaerm-weserbergland-e-v/
Noch keine Kommentare