Ducken Politik und Verwaltung sich erneut weg?
Holzminden. „Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Wer am meisten Krach macht, bekommt auch im Landkreis Holzminden Recht. Der massive Druck der Bikerverbände, der Druck regionaler Interessensgruppen und massiv vorgetragene Partikularinteressen zeigen im Landkreis Wirkung: Das Pilotprojekt gegen Motorradlärm – einst nahezu einstimmig entschieden – schmilzt ab bis zur Unkenntlichkeit. Politik und Verwaltung ducken sich weg. Kein gutes Zeichen für unsere Demokratie, dass nicht Mehrheiten, sondern Lautheiten bestimmen. Apropos Mehrheiten: Laut einer repräsentativen Civey-Umfrage des Spiegels spricht sich eine klare Mehrheit der Deutschen für Strecksperrungen besonders belasteter Hotspots aus.
Das Problem ficht den Landkreis weniger an als der Gegenwind, gegen die Problembeseitigung, hat man den Eindruck: Aus der Landkreisverwaltung kommen keine klaren Aussagen, wieso dieses Projekt, das dazu dienen sollte, Erfahrungen im Umgang mit dem Problem zu sammeln, jetzt weitgehend abgeblasen werden könnte. Es kann nicht daran liegen, dass Motorradlärm beseitigt wäre. Motorradlärm wird im Weserbergland seit 20 Jahren beklagt, ohne dass Polizei, Politik oder Verwaltung Wesentliches – außer Lamentieren, man könne nichts machen – daran geändert hätte.
Von Anfang an klar war, dass es bei diesem Piloten nicht um dauerhafte Maßnahmen geht, sondern dass unterschiedliche Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit untersucht werden sollten. Dazu wurden Ideen aus der ganzen Republik zusammengetragen und an den Hotspots des Kreises ausgerollt. Es besteht enormer Bedarf, diese Maßnahmen zu erproben: Allein auf der Hotspot-Karte der TAZ sind deutschlandweit mehr als 800 Motorradlärm-Hotspots dokumentiert. Und unterschiedliche Rahmenbedingungen erfordern unterschiedliche Maßnahmen. Darum geht bei dem vom Land Niedersachsen aus Olaf Lies´ Ministerium geförderten Gesamtprojekt; das Kreisprojekt ist nur ein kleiner Teil davon. Im Vorfeld des Projekts gab es aus dem Bundesverkehrsministerium zudem klare Signale, dass Pilotprojekte mit dem oben genannten Charakter klar in der Zuständigkeit der Kreisbehörden liegen.
Dass mit der Villa Löwenherz jetzt ausgerechnet eine Ikone des Motorradtourismus im Kreis liegt, ist kein Zufall. Denn genau dieser Motorradtourismus ist Teil des Problems, das die Anwohner belästigt und das neben der lärmenden Raserei vielerorts im Kreis beklagt wird. Dabei geht es auch darum, dass mittlerweile die meistverkaufte BMW-Tourenmaschine in Deutschland die gleiche Abschaltvorrichtung zur Lärmzulassung verwendet, wie die gefürchteten Straßenrennmaschinen der Marke, die kilometerweit zu hören sind. Zur Erbauung der Benutzer – und zum körperlichen, seelischen und monetären Schaden der Anwohner.
Die Kommunikationspolitik des Landkreises ist zu den Anwohnern wenig transparent. Gleichzeitig scheint ein Austausch mit den Motorradseite stattzufinden. Das passt ins System: Obwohl im Vorfeld teure Messapparaturen installiert wurden, sperrt sich die Verwaltung bis heute, die bereits erhobenen Daten zu teilen. Wiewohl die ja zu einer Beurteilung der Lage wichtig wären. Insgesamt fühlen sich die Anwohner einmal mehr im Stich gelassen – wie seit Jahrzehnten.
Das krawallige Auftreten der Motorradfahrenden im Kreistag, in den Medien und allgemein bis heute macht Eindruck. Die Anliegen der Anwohner werden vor der Kreispolitik niedergebrüllt mit Drohungen Prozessandrohungen. Dem kann man nur entgegenhalten: Es gibt kein naturgegebenes Recht der Freiheit, Menschen zu schädigen, zu belästigen und krank zu machen. Aber es gibt ein Recht auf Unversehrtheit von alledem. Es wäre Sache des Kreises, auch Letzteres zu würdigen.
Eine Antwort
Wenn man sie gewähren lässt….
Die Motorradlobby ist gut organisiert und der Bundesverband der Motorradfahrer hat offensichtlich gut bezahlte Anwälte, um gegen jede aufkeimende Änderung des Status Quo zu klagen. Da werden jahrelang bestehende Fahrverbote durch Gerichte rückgängig gemacht, oder es werden Pilotprojekte wie eben dieser hier so weit verwässert, dass dabei nichts herauskommt.
Seit vielen Jahren sind sie damit sehr erfolgreich und werden es auch weiterhin sein, wenn man nicht wirksam dagegen vorgeht. Und zwar nicht, indem man wie bis jetzt immer mit dem erhobenen Zeigefinger auf die Missstände hinweist, sondern selber aktiv wird. Und das bedeutet, man setzt Fachanwälte ein und klagt vor Gericht. Nur diese Sprache verstehen die Krachmacher.
Macht man das nicht, prophezeie ich Ihnen für die nächsten Jahre fortwährende Déjà-vu-Erlebnisse.