Der baden-württembergische Lärmschutzbeauftragte Thomas Marwein hat sich mit Lärm-Experten ausgetauscht, wie Badische Zeitung und Südwestpresse berichten: Motorradlärm, getunte Autos, laute Züge: Marwein (Grüne) fordert von der Bundesregierung schärfere Grenzwerte für den Verkehrslärm. Die derzeit für Deutschland geltenden durchschnittlichen Werte von 70 Dezibel am Tag und 60 Dezibel in der Nacht seien „deutlich zu hoch“, sagte Marwein nach einem Gespräch mit Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Fachleute – etwa vom Schweizer Bundesamt für Umwelt, vom Österreichischen Ring für Lärmbekämpfung oder von der Universitätsklinik Essen – empfehlen, die Werte in einem ersten Schritt um fünf Dezibel zu senken. Mittelfristig solle der durch Straßenverkehr verursachte Lärmpegel aber auf weniger als 53 Dezibel am Tag und 45 Dezibel in der Nacht sinken, fordern die Experten in einem in Stuttgart verabschiedeten „Memorandum“. Die aktuellen Werte liegen etwa 15 Dezibel über den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). „Wir sehen den Haupthandlungsbedarf beim Bund“, sagte denn auch Christoph Erdmenger vom baden-württembergischen Verkehrsministerium. Marwein will nun das Gespräch mit der Bundesregierung suchen. Zu einer Bundesratsinitiative müsste aber der Regierungspartner CDU seinen Segen erteilen. Bislang habe sich diese Partei bezüglich der Forderung noch nicht positioniert.
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KOMMENTAR:
Grenzwert-Humbug
Es ist zum Mäuse melken: Da treffen sich Experten und tauschen sich zum Lärm aus. Und fordern eine Senkung von Grenzwerten an Straßen und Schienenwegen. Und gleichzeitig überbietet sich die Fahrzeugindustrie in Kreativität, die Emissionswerte der Fahrzeuge so zu gestalten, dass die „Sportfahrer“ etwas davon haben: Im Fahrzeugpapier immer leiser – auf der Straße immer lauter. Und am Auspuff gibt es gar keine „Grenzwerte“ sondern nur von den Herstellern selbst attestierte Homologations-Messungen irgendwo auf einem mutwillig gewählten Punkt im nutzbaren Drehzahlband. Aber nie da, wo das Ding am lautesten heult. Seit Jahrzehnten müssen Anwohner an Lärmerstrecken mit den Manipulationen einzelner Fahrer und mit den Manipulationen des Lärmkartells der Industrie leben, das immer trickreichere Verfahren entwickelt, wie man die Lärmnormen „ab Auspuff“ umgehen kann. Grenzwert für die Straßen hin oder her: Motorenlärm kann wirkungsvoll nur an der Quelle bekämpft werden. Er wird hier aber – von einem Teil der Fahrzeugflotte – mutwillig erzeugt. Und so lange jedes laute Motorrad und jeder AMG mit Proletenbesatzung ganze Häuserschluchten akustisch „ganz legal“ terrorisieren darf, brauchen wir uns über Grenzwerte für Straßen (natürlich wieder ohne Rechtsansprüche) nicht zu unterhalten. Grenzwert-Humbug ohne Sinn, Verstand – und Konsequenzen.
12 Responses
Strengere Grenzwerte? Eine lächerliche Scheinlösung!
In diesem Bericht des Schweizer Fernsehens wird anhand eines Praxistests nachgewiesen, wie von den Herstellern Mercedes, BMW und Ducati (Audi) die Zulassungstests bezüglich Lärm systematisch manipuliert werden.
Zunächst wird konform der genormten Zulassungstests mit exakt Tempo 50 km/h in die Messstrecke eingefahren und dort beschleunigt. Die Lärmgrenzwerte werden dabei von allen Fahrzeugen eingehalten – die sogenannten Klappenauspuffanlagen bleiben geschlossen. Bei diesen wird der Schalldämpfer mittels Klappe umgangen. Außerhalb der Normtests oder aber auch auf Knopfdruck „ganz legal“ brüllend laut!
Im zweiten Durchgang wurde der Testzyklus ganz leicht abgewandelt, indem man mit marginal höherer Geschwindigkeit, zum Beispiel nicht 50 km/h sondern 53 km/h in die Messstrecke einfährt.
Ergebnis: Alle Fahrzeuge sind um ein Vielfaches lauter als erlaubt, weil jetzt die Schallklappen öffnen. Die vorgegebenen Grenzwerte für Lärmemissionen sind bei dieser Vorgehensweise allesamt nichts wert!
Dieses Verfahren ist exakt das gleiche Manipulationsschema, wie es beim Abgasskandal bekannt wurde: Testzykluserkennung und Abschaltvorrichtungen. Es findet branchenweit Anwendung. Reihenweise werden aktuell Fahrzeuge mit genau diesen Klappensteuerungen zugelassen. Lieferbar schon länger bei fast allen Motorrädern. Bei Porsche. Bei Mercedes AMG, BMW M, Audi RS-Typen. Aber inzwischen sogar bei Skoda, Fiat (Abarth), Renault, Hyundai. Dabei ist kein Ende abzusehen.
Wenn ich Sie richtig verstehe, dann gibt es einen Unterschied in der Bemessung zwischen dem Lärm an Straßen und dem Lärm aus den Auspuffen. Ist das so?
Richtig! Hier werden Äpfel mit Birnen verrechnet.
1. Äpfel: Lärmkartierung; das ist die Perspektive der Lärmbelästigten. Die Lärmbelastung an Straßen wird errechnet – aus Strichlisten, die den Verkehr abbilden. Motorräder tauchen dort nicht auf. Also nicht bei der Lärmkartierung. Klappenauspuff-Pkw werden über die Strichliste herausgemittelt.
2. Birnen: Das ist die Perspektive der Lärmerzeuger – die Norm am Auspuff (UNECE-R 41.04). Am Auspuff wird jetzt mal ausnahmsweise gemessen. Aber nur an spezifischen, eng eingegrenzten Messpunkten im Drehzahlverlauf eines Motorrads. Hier handelt es sich also nicht um einen Grenzwert, weil es gar nicht um den lautesten Betriebszeitpunkt (Grenzwert) geht. Die punktuellen Spitzenbelastungen fallen also bei Äpfel unter den Tisch und bei Birnen ebenfalls, weil die Norm so idiotisch gestrickt ist, dass jede Krachmaschine genau und nur dort leise ist, wo es die Norm verlangt. Abseits vom Messpunkt gibt es gar keine Limits (≠ Grenzwert).
Und hier diskutieren Politiker wieder um eine Absenkung eines Grenzwerts, der für US-Cars, „Sport“-Motorräder, Quads, Porsches, dicke Audis, Klappen-BMWs und Mercedes-AMG keine Relevanz hat. Augenwischerei!
Warum tauchen Motorräder in den Strichlisten nicht auf?
Weil der Gesetzgeber nur für Pkw und Lkw einen Strich vorgesehen hat. Nicht für Motorräder… Ein Schelm wer in der Summe der Nachlässigkeiten pro Motorradlobby böses dabei denkt.
Stimmt. Die mächtige Motorradlobby is ja allseits bekannt in Europa und hält die Union im Würgegriff.
Ich würde es anders formulieren und „Motorradlobby“ gegen Fahrzeugindustrie tauschen: Deutschlands Politik präsentiert sich seit Jahren wieder mal als Büttel der Fahrzeuglobbyisten. Und die deutschen Hersteller sind mal wieder ganz vorne mit dabei beim Manipulieren von Normen und Fahrzeugen…
Grundlage der Lärmkartierungen ist die RLS-90. Nach dieser Vorschrift werden Lärmbelastungen errechnet auf der Basis von Strichlisten. Motorräder und die immer weiter zunehmende Zahl von PKW mit Klappenauspuffanlage werden nicht gezählt. Kein Wunder: Die Vorschrift ist 30 Jahre alt – damals gab es noch keine Klappenauspuffanlagen auf den Straßen!
Im Ergebnis bleiben diese massiven Lärmspitzen völlig unberücksichtigt.
Es kann also durchaus vorkommen, dass Anwohner aufgrund mutwillig erzeugtem Motorenlärm jede Nacht fünfmal aus dem Bett fallen – und die Behörden sehen keinen Handlungsbedarf weil die nach der 30 Jahre alten Vorschrift errechnete Lärmbelastung nicht hoch genug ist.
Aus diesem Grund werden Anträge auf Lärmsanierung bei den Straßenträgern regelmäßig abgelehnt. Einerseits wird dafür meist kein Handlungsbedarf gesehen – weil die Berechnungsgrundlage so hanebüchen mangelhaft und veraltet ist.
Andererseits handelt es sich dabei ohnehin um eine „freiwillige Leistung“. Einen Rechtsanspruch auf Lärmsanierung für Anwohner von immer lauter gewordenen Bestandsstraßen gibt es in Deutschland nicht.
So können Straßenanwohner weiter hilflos zusehen, wie es immer lauter wird und die Lebensqualität und der Immobilienwert immer weiter verfällt.
Es wird Zeit, dass die Politik mit ECHTEN Maßnahmen eingreift. Nicht mit Gesülze über irgendwelche Grenzwerte, die ohnehin nur auf dem Papier stehen und sonst keinerlei Praxiswert besitzen!
Strichlisten bringen nichts, das ist klar. Gab es im November letzten Jahres nicht eine Initiative der Umweltminister Klappenauspuffanlagen und sonstiges verbieten zu lassen?
Im Mai soll dann ein Resultat verfügbar sein. Bis dahin soll ein Verbot geprüft worden sein im Verkehrsministerium.
Alle Umweltminister haben damals zugesagt. Ich kann das jetzt nicht einschätzen, ob das jetzt doch nur heiße Luft ist oder das ernsthaft durchkommen könnte.
Initiativen gab es viele. Es gibt ein Verbot Nachrüstanlagen in den Verkehr zu bringen. Aber außer Toto und Harry im Fernsehen kümmert sich da niemand drum… Oder findet niemand Rechtsmittel, den wahnsinn zu stoppen.
In irgendeiner Stellungnahme des Verkehrsministeriums wurde gesagt, dass die Zulassungsrichtlinien dem EU-Recht unterliegen und Änderungen einstimmig von allen EU-Staaten beschlossen werden müssen. So nach dem Motto: „Wir würden ja gerne ändern aber solange z.B. Ungarn und Rumänien nicht ja sagen gibt es keine Änderung“ – ist das so richtig oder nur eine Ausrede unseres Verkehrsministeriums?
Die Grenzwerte sind Betrug und Humbug. Wie beim Diesel. Da sind weder die EU, noch Ungarn dran schuld.